2013 // Iron Curtain Trail: Auf geht’s!
Mit dem Fahrrad auf dem von Danzig nach Usedom. Der Europa Radweg 13 – Eiserner Vorhang oder auch Iron Curtain Trail bzw. das „Grüne Band“ beginnt für uns in Danzig und führt uns in diesem Jahr (2013) nach Usedom. Also von der polnischen Rechtstadt zur polnisch-deutschen Grenze in Swinnemünde.
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Um 6 Uhr treffen wir uns am Hauptbahnhof. Pünklich 6:37 Uhr fährt der Zug Richtung Poznan los. Dort angekommen suchen wir das Gleis für die Weiterfahrt. Etwas schwierig, da unser Fahrplan mit der polnischen Realität nicht ganz übereinstimmt. Der Zug nach Danzig ist nicht nur sehr eng, sondern auch noch voll, aber wir erreichen unser Ziel kurz nach 15 Uhr. Auf dem Weg zur „Villa Alfa“ kommen wir an einer Arbeiterkneipe vorbei und stellen erstmal Kontakt zur Bevölkerung her – wir bestellen uns drei Bier. In unserem Quartier werden wir sehr freundlich empfangen, auch aufgrund des Frühstück können wir es sehr empfehlen. Wir richten uns ein wenig ein und entern dann die Altstadt sowie einige Kneipen.
2. Tag Danzig
Wir lassen die Räder im Quartier, fahren mit dem Bus in die City. Danzig bildet mit Gdingen und Sopot die sogenannte Dreistadt. Das Ballungszentrum hat über eine Millionen Einwohner. 979 wurde die Stadt durch den Bau einer Festung gegründet. Anfang des 14. Jahrhundert kam es zum Konflikt zwischen den Fürsten von Pommern und dem polnischen König. Letzterer rief den Deutschen Orden zu Hilfe. Dieser setzte sich zum Lohn hier fest. Dadurch gedieh Danzig und wurde 1361 Mitglied der Hanse. Als die Macht des Ordens sank, wendete sich der Danziger Rat wieder dem polnischen König zu. Mehrer Machtwechsel musste die Stadt über sich ergehen lassen. Vor dem 2. Weltkrieg wurde Danzig unter Aufsicht des Völkerbundes zur Freien Stadt. Polen übernahm die außenpolitische Vertretung, damit auch die Teilhoheit über den Hafen. Dieser entwickelte sich später zum Auswanderungshafen für die Juden. 1939 verleibte sich Hitler die Stadt ein und begann am 1. September selben Jahres mit dem Beschuss des polnischen Munitionsdepot auf der Westerplatte den Zweiten Weltkrieg. An dessen Ende war nicht nur Danzig völlig zerstört. Beim Wiederaufbau wurde speziell hier ganze Arbeit geleistet. Viele historische Bauten wurden neu errichtet und erstrahlen im neuen Glanz. Erwähnen wollen wir das Krantor, das Wahrzeichen der Stadt, das Rathaus mit dem 81 Meter hohen Turm. Hier haben wir uns von der super Aussicht überzeugt. Auf dem Langen Markt mit dem Neptunbrunnen haben zur EM 2012 viele deutsche Fußballfans den Sieg gegen Griechenland gefeiert. Am Ende der Frauengasse steht die Marienkirche, größte Backsteinkirche der Welt mit Platz für 25000 Menschen. Eine Dampferfahrt bringt uns am 1980 eingeweihten Denkmal für die 1970 getöteten Werftarbeiter vorbei. Es wurde von den Werftarbeitern selbst hergestell, nachdem sie im August 1980 gestreikt hatten. Eine weitere Errungenschaft war die Gründung der freien Gewerkschaft Solidarnosc unter Führung von Lech Walesa. Diese wurde dann 1982 verboten, im April 1989 aber wieder zugelassen. Bei den ersten freien Wahlen im Juni gewann das Bürgerkomite Solidarnosc, und stellte den ersten nichtkommunistischen Ministerpräsident noch vor dem Fall des Eisernen Vorhang. Das Schiff bringt uns noch zur Westerplatte, irgendwie schon ein komisches Gefühl. Am Abend gibt es noch eine Skatrunde.
3. Tag Danzig – Wladyslawowo 76 km
Das gute Früstück kennen wir schon, um 8:45 Uhr fahren wir los. Den Weg Richtung Altstadt kennen wir jetzt. Einen kleinen Umweg nach Oliwa machen wir wegen der dortigen Orgel. Selbst wir Kulturbanausen sind von dem Klang fasziniert! Wir radeln zurück Richtung Meer. Ein herrlicher Radweg endet plötzlich kurz hinter Sopot. Wir müssen die Räder einen Berg hochschleppen, um dann einen Radweg neben der Strasse zu finden. Dieser führt uns dann nach Gdynia. Wir verfahren uns natürlich ein bisschen, erreichen aber den Hafen. Von dort bringt uns eine Fähre für 27 Zloty pro Person +Rad in 70 Minuten auf die Halbinsel Hel. Nach diesen Strapazen müssen wir erstmal Mittag essen. Der Radweg ist super, wird leider durch das Wetter getrübt. Es regnet, zwar nicht doll, aber stetig. Schöne Rastplätze säumen den Weg, aber wir haben ja keine Zeit. Gegen 18 Uhr erreichen wir unsere Pension Dom Wypoczynkowy Bakster, natürlich wieder auf dem Berg. Die Unterkunft haben wir wegen des Championsleaguefinale vorgebucht. Der Quartiervater empfängt uns, dass er unser diesjähriger Tourheld wird, wissen wir da noch nicht. Nachdem wir die Zimmer bezogen haben der erste Schreck, Sateliten TV schon, aber kein ZDF ! Abendbrot hatten wir auch noch nicht, also wir reden mal mit unserem Wirt. Er bietet sich gleich als Taxifahrer an, bringt uns zum besten Lokal in Town, übersetzt für uns, und tauscht noch Geld, da wir hier nicht mit Euro bezahlen können. In der Stadt ist nicht viel los, unser Taxifahrerwirtübersetzer stopt noch kurz am Getränkeladen. Wir versorgen uns mit Bier, notfalls schauen wir halt auf polnisch. Als wir ihm unser Problem schilderten, hielt er kurz inne, und bat uns um etwas Zeit. Er kam mit einem Lächeln im Gesicht zurück und führte uns ins eheliche Schlafzimmer ! Gläser auf dem Tisch, Salzstangen, Chips, einen Aschenbecher und dazu ZDF an ! Es gewinnen in dem rein deutschen Finale leider wieder mal die Falschen, aber daran ist unser Tourheld nicht schuld.
4. Tag Wladyslawowo – Leba 83 km
Zum krönenden Abschluß serviert uns unser Held noch ein super Frühstück. Um 9:30 Uhr radeln wir bei bewölktem Wetter und ca. 15 Grad los. Kurz danach erreichen wir am Kap Rowewie den nördlichsten Punkt Polens und der diesjährigen Tour. Schon im Mittelalter gab es hier Orientierungsfeuer, mittlerweile steht hier der älteste Leuchtturm Ostpommerns. Der Radweg neben der Strasse ist teilweise noch ausbaufähig. In den Ortschaften nutzen wir lieber den Fußweg. In Stilo besteigen wir den nächsten Leuchtturm und treffen noch ein Pärchen aus Deutschland. Bei dem üblichen Smal Talk ignorieren wir irgendwie ihre Tipps bezüglich des kommenden Weges. Erst war es sehr sandig, später sehr feucht. Wir versuchten abseits der Wege trockenen Fußes durchzukommen, leider ohne Erfolg. Irgendwann verloren wir auch noch die Orientierung. Nach 2 Stunden fanden wir unseren Weg wieder. Sonnige 20 Grad belohnten uns. Bis Leba ist es nicht mehr weit. Wie überall in Polen ist die Saison noch nicht in vollem Gange, wir finden aber das Quartier „Skrawek Nieba“für schmale 19 Euro. Ein Abendbrot erbeuten wir auch noch in der City.
5. Tag Leba – Smoldzino 58 km
Da wir in unserem Quartier die einzigen Gäste sind, lassen wir uns das Riesenfrühstück aufs Zimmer bringen. Wieder mal ein perfekter Start in den Tag. Wir fahren zu den Wanderdünen, ein Umweg, der sich lohnt. Das Wetter spielt auch mit, sonnig und bis 20 Grad. Wir radeln frohen Mutes zurück, finden auch unseren weiteren Weg, bis unser nächstes Abenteuer beginnt. Originalton Reiseführer „bei stark sandigen Stellen wird man schieben müssen, und auch auf dem matschigen Weg im Birkenwald kommt man nur schlecht voran.“ Diese Beschreibung trifft es nicht ganz, wir konnten nur an sehr wenigen Stellen radeln. Dann wird es besser, um dann nochmal all unsere Pfadfinderqualitäten abzufordern. Aus herumliegenden Bäumen bauen wir uns kleine Brücken. Für die 5 Kilometer brauchen wir 3 Stunden. In Kluki ist ein Freiluftmuseum mit dazugehöriger Gaststätte. Dort belohnen wir uns mit einem leckeren Essen nebst noch leckererem Bier. Ein deutsches Pärchen bewundert unsere vom Morast gezeichneten Räder, und erkundigen sich nach dem Weg. Wir raten freundlich ab, der Mann ist noch nicht überzeugt. Als wir glaubten, er nimmt den sicheren Weg, kam er nochmal zurück. „Kann man da wirklich nicht lang ?“. Wir sahen noch einen Anhänger an seinem Rad, spätestens jetzt redeten wir ihm das Experiment aus, begeistert war der Herr nicht. In Smoldzinski Las verfahren wir uns wieder mal und landen in Smoldzino. Ein riesiges Hinweisschild „Gosciniec Bernackich“ – Pension und Restaurant zwingt uns quasi, die Etappe zu beenden. Nach der Dusche sind wir überzeugt, wieder mal alles richtig gemacht. Ein Skatabend läßt bei zweien von uns die Laune noch mehr steigen.
6. Tag Smoldzino – Jaroslawiec 82 km
Und täglich grüßt das Murmeltier – schon wieder super Frühstück. Die Räder werden geputzt, um 9:30 Uhr fahren wir los. Matze hat uns bisher verschwiegen, dass seine Vorderbremse schon länger streikt, seine Hinterradbremse sich symphatischerweise anschließen möchte. Normalerweise nicht das Problem, nur mit Hydraulikbremsen hatten wir uns bisher noch nicht beschäftigt. Da wir halbewegs den Originalweg radeln wollen, geht es zurück nach Smoldzinski Las. Hier erkennen wir, dass der Reiseführer uns verar… hat. Der Weg wird wieder schlechter, die Orientierung auch. Als wir dann durch den Wald fahren, wo nicht einmal eine Tierfährte den Weg kreuzt, finden wir ständig Wegweiser an den Bäumen. Um 12 Uhr erreichen wir Rowy, eigentlich unser Ziel von gestern. Die Orientierung bleibt schwierig, der Weg auch. Über Ustka erreichen wir Jaroslawiec, unser Nachtquartier. Wir stehen an der Strassenkreuzung und haben 3 Unterkünfte zur Auswahl. Die Entscheidung fällt auf „Za Wydma“. Ostcharme pur- wer es kennt,wird schmunzeln, wer nicht, könnte entsetzt sein.
7. Tag Jaroslawiec – Dabki 48 km
Das Frühstück ist diesmal nicht der Rede wert. Der Weg war leicht zu finden, bei leicht wolkigem Wetter um die 18 Grad. Auf dem Deich kommen wir gut voran, bis wir schieben müssen. Diesmal wollen uns schwere Baumaschinen von unserem Ziel abhalten, der Deich wird erneuert. Aber die Natur kann uns nicht zum Aufgeben zwingen, also schaffen es Maschinen auch nicht. In Darlowo angekommen überbringt uns Matze seine Hiobsbotschaft. Beide Bremsen wollen nicht mehr, prizipiell kein Problem – sind wir halt schneller am Ziel. Aber jedesmal den Anker werfen ist auch nicht die Lösung. Im besten Fahrradladen der Stadt konnte man uns nicht verstehen, wir ihn auch nicht, oder er konnte nicht helfen. Bei einer Tasse Bier planen wir schon die Heimfahrt, plötzlich kommt einer auf die Idee, man kann ja mal in der Autowerkstadt nachfragen. Findige polnische Autoschrauber testeten erst das Öl, lächelten sich zu und füllten die Bremsanlage wieder auf. Als Gegenleistung beladen wir das Auto vom Chef mit Pflastersteinen, Matze spendiert jede Menge Zloty für das Feierabendbier der Fahrradschrauber, und wir machen uns zurück in die Kneipe, in der wir diese geniale Idee hatten. Das Mittagessen übernimmt der Bremskraftverstärkte selbstverständlich auch. Der deutsche Name Rügenwald wird den meisten geläufiger sein. ! 1834 begann ein Herr Müller mit der Wurstproduktion. In dritter Generation um 1900 wurde die Teewurst hergestellt, sie wurde am liebsten zum Nachmittagstee gegessen. Um sie von anderen Wurstwaren zu unterscheiden, kam Frau Müller auf die Idee mit der Mühle und den gekreuzten Würsten. Nach dem zweiten Weltkrieg floh die Familie nur mit den Rezepten ins Ammerland. Frohen Mutes geht es nach Dabki. Dort wird un seine Strandwanderung von 5 Km angeboten. Wir probieren es natürlich, es soll ja so original wie möglich sein. Der lockere Sand läßt dieses Vorhaben aber kläglich scheitern. Ca. 2 Stunden Zeitverlust plus schlechte Laune. Also zurück nach Dabki und ein Quartier gesucht. Für 18 Euro mit Frühstück finden wir das Hotel „Lagune“. In der Nacht zieht ein heftiges Gewitter über uns, sodaß am Morgen wieder die Sonne scheinen kann.
8. Tag Dabki – Rogorzelica 102 km
Gegen 9:30 Uhr geht es weiter. Wir fahren über Bukowo Morskie und Iwiecino nach Lazy. Dort erreichen wir nicht nur den originalen, sondern einen richtigen ! Radweg. Bis nach Kolberg hinein macht es richtig Spass. Da heute Fronleichnam ist, in Polen Feiertag, ist die ganze Stadt unterwegs. Plötzlich sind wir doch ganz froh, nicht in der Saison hier zu sein, und es stört auch nicht, dass einige Gaststätten noch geschlossen sind. Der Belag auf unserem Weg wechselt, aber es ist kein Moor mehr dabei. Teilweise direkt an der Küste kommen wir gut voran. In Pogorzelica steht unser Bett im Hotel „Toscana“. Nettes Quartier mit super Bedienung. Geduldig warteten die beiden Mädels bis wir keinen Durst mehr hatten.
9. Tag Pogorzelica – Swinemünde 100 km
Das Frühstück ist wieder genial, kurz nach acht sind wir auf den Rädern. Ein paar Wolken, aber die verziehen sich noch im Laufe des Tages. Kurz nach unserem Start erreichen wir ein Freilandminiaturmuseum mit den Leuchttürmen der polnischen Küste. Viele haben wir schon im Original bewundern können. In Trzesacz sehen wir die Kirchenruine. Ab 1900 begann der allmähliche Absturz. Viel steht nicht mehr. 1874 wurde das Problem des Landverlustes erkannt und die Kirche geschlossen. Ursprünglich stand sie 400 Meter von der Küste entfernt. Wir durchfahren mehrere bekannte Ostseebäder, und müssen uns in Swinemünde mittels Technik über den namensgebenden Fluß helfen lassen. Wir beziehen unsere Zimmer im Hotel „Ottaviano“ um dann gleich noch zur Grenze zu fahren.
Unseren ersten Abschnitt haben wir mit einigen Widrigkeiten geschafft ! Wir sind uns schon beim Abendbrot einig, dass es weiter gehen wird.